Ihr Weg zur digitalen Verwaltung – eine Anleitung für Gemeinden

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Die Digitalisierung hat längst sämtliche Branchen und Sektoren erfasst und verändert nachhaltig die Art und Weise, wie wir heute arbeiten, kommunizieren und Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Auch der öffentliche Sektor bleibt von diesem Wandel nicht unberührt. Hier sind es vor allem öffentliche Verwaltungen, wie Stadt- oder Gemeindeverwaltungen, die sich zunehmend damit auseinandersetzen müssen, wie sie ihre Dienstleistungen und Kommunikation effizient digitalisieren können. Dabei gilt es, alle relevanten Interessengruppen – sei es die Bevölkerung, Unternehmen, Mitarbeitende, die operative und strategische Führung sowie Partner und Lieferanten – einzubeziehen. Gleichzeitig ist es wichtig, niemanden auszuschliessen, der nicht digital-affin ist oder sein möchte.

Um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, bedarf es bestimmter Voraussetzungen und Grundlagen, die im folgenden Beitrag beleuchtet werden. Wirft man einen Blick auf die entscheidenden Schritte und Strategien, die notwendig sind, um Verwaltungsprozesse in der Schweiz effektiv zu digitalisieren und dabei eine inklusive und zugängliche Umgebung für alle zu schaffen:

[ 1 ]Das Warum – Digitalisierung der Verwaltungsprozesse

«Der Bevölkerung, den Unternehmen und auch weiteren Anspruchsgruppen wird eine effektive, transparente und sichere digitale Interaktion mit der öffentlichen Verwaltung ermöglicht», heisst es im Leitbild Strategie «Digitale Verwaltung Schweiz 2024 – 2027», das sich übergreifend an Bund, Kantone, Städte und Gemeinden richtet. Damit eine Verwaltung effektiv ist, muss sie im Zuge der Digitalisierung ihre Prozesse so effizient wie möglich gestalten. Auch auf Gemeindeebene heisst das: Ressourcen gezielter einsetzen, Arbeitsbelastung optimieren und die Mitarbeitenden dazu zu befähigen, sich vermehrt auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren.

Einige der wichtigsten Schwerpunkte der Digitalisierung sind:

  • Aufwandsreduktion und Fokussierung auf Kernaufgaben
    Durch Effizienzsteigerung dank Digitalisierung sollen Aufwände eingespart und Stellen entsprechend angepasst werden. Dadurch können sich Führungskräfte und Mitarbeitende wieder verstärkt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, anstatt Zeit und Ressourcen für manuelle Prozesse zu verlieren.
  • Digital first
    Verwaltungsprozesse für die Bevölkerung werden vorrangig für digitale Leistungserbringungen konzipiert. Sowohl die öffentliche Verwaltung als auch die Wirtschaft sollen Dienstleistungen vollständig digital anbieten und umsetzen können.
  • Nutzerzentrierung und Inklusion
    Die Interaktion mit der Verwaltung soll für alle Anspruchsgruppen möglichst einfach sein. Die Digitalisierung vereinfacht die Kommunikation zwischen Behörden und Anspruchsgruppen wie der Bevölkerung oder Unternehmen erheblich. Ein Onlineschalter mit Dienstleistungen wie Betreibungsregisterauszug bestellen, die virtuelle Umzugsmeldung via eUmzugCH oder das Einreichen von Baugesuchen sowie der Zugriff auf wichtige Informationen ist zeit- und ortsunabhängig verfügbar – und zwar schnell und unkompliziert.
    Es ist zudem wichtig sicherzustellen, dass die Digitalisierung niemanden ausschliesst. Ältere Menschen oder Personen, die weniger vertraut mit digitalen Technologien sind, sollten Alternativen zum rein digitalen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen haben. In diesen Fällen können Mitarbeitende als «Digitalisierungsübersetzer» fungieren und den Zugang zu digitalen Prozessen erleichtern.
  • Sicherheit und Transparenz
    Die zunehmende Digitalisierung erfordert eine verstärkte IT-Sicherheit. Die Sicherstellung, dass Daten und Systeme vor Bedrohungen geschützt sind, ist ein zentrales Ziel der Digitalisierung. Die Verwendung von etablierten Standards und Richtlinien für Datensicherheit erhöhen das Vertrauen in die Behörden.
  • Weiterbildung für Mitarbeitende
    Die Digitalisierung umfasst auch die Schulung und Befähigung der Mitarbeitenden im Umgang mit digitalen Mitteln und Infrastrukturen. Dies ist entscheidend, um die Vorteile der Digitalisierung voll auszuschöpfen und ein effizientes und sicheres Arbeiten zu gewährleisten.
  • Talentbindung
    In Zeiten des Fachkräftemangels kann die Digitalisierung dazu beitragen, Fachkräfte und Talente an die Organisation zu binden. Die Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen durch moderne Technologien und flexible Arbeitsweisen kann ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein.
     

[ 2 ]Das Fundament – eine Digitalstrategie für Behörden

Eine essenzielle Grundlage für eine effektive digitale Transformation ist die Ausarbeitung einer Digitalstrategie. Eine Digitalstrategie geht weit über technische Aspekte hinaus, sie berücksichtigt ebenso organisatorische, kommunikative und personelle Aspekte. Des Weiteren definiert sie grundlegende Prinzipien und Zielsetzungen für die digitale Entwicklung. Dabei werden die Bedürfnisse aller relevanten Interessensgruppen berücksichtigt: Bevölkerung, Unternehmen, Mitarbeitende, Führungskräfte sowie Partner und Lieferanten.

Die Digitalstrategie konkretisiert die Ziele in Massnahmen und legt fest, wer für deren Umsetzung verantwortlich ist, sowie einen Umsetzungszeitplan. Diese klare Zuordnung von Zuständigkeiten schafft Transparenz und verhindert mögliche Unklarheiten.

Auch eine Analyse der technischen Landschaft ist vonnöten. Welche IT-Systeme sind notwendig, um die Verwaltungsprozesse zu digitalisieren? Welche Investitionen sind erforderlich, um eine moderne IT-Infrastruktur sicherzustellen? 

Kurzum: eine Digitalstrategie ist das Fundament für eine erfolgreiche digitale Transformation im öffentlichen Sektor. 

[ 3 ]Das Herzstück – Prozessmanagement

Prozesse bilden das Herzstück einer effizienten Verwaltung. Sie zu verstehen und korrekt zu definieren, gewinnt im Zuge der Digitalisierung und bei der Massnahmenplanung für die Digitalstrategie eine noch wichtigere Rolle.
Gemeinden stehen vor der Herausforderung, eine Vielzahl unterschiedlicher Wertschöpfungsprozesse zu koordinieren, von Bildungseinrichtungen über Feuerwehren bis hin zu Werkhöfen usw. Diese Vielfalt führt zu einer erheblichen Komplexität im Prozessmanagement, die deutlich höher liegt als beispielsweise bei einem KMU mit einigen wenigen Hauptprodukten.

Zunächst müssen die Prozesse selbst klar definiert werden. Dies beinhaltet nicht nur die Festlegung der einzelnen Schritte, sondern auch ein grundlegendes Verständnis dafür, wie diese Prozesse funktionieren und welche Daten   während des Prozessablaufs gesammelt werden (müssen). Eine präzise Prozessdefinition ist entscheidend, da sie als Grundlage für die Ausarbeitung von Reglementen dient.

Jeder Verwaltungsbereich (Abteilung, Fachbereich) erfordert spezialisierte (Fach-)Applikationen, die sich idealerweise auf standardisierte Datenhaltung ausrichten. Diese Anwendungen werden von Gemeinde-Mitarbeitenden verwendet. Jedoch sind teilweise auch andere Interessensgruppen wie die Bevölkerung und Unternehmen darauf angewiesen, diese Applikationen zu nutzen, um ihre Prozesse möglichst digital, papierlos und zeitunabhängig abzuwickeln. Ebenso benötigen Führungspersonen klare Informationen, um ihre Aufgaben auszuführen und Entscheidungen aufgrund fundierter Daten zu treffen.

Um eine reibungslose Kommunikation zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen zu ermöglichen, müssen Fachapplikationen nach aussen geöffnet werden, zum Beispiel über ein eServicePortal. Dies ermöglicht es externen Parteien, sich nahtlos in die Fachprozesse einzubinden.

Ein entscheidender Punkt ist die strategische Ausrichtung der Gemeinde. Hierbei stellt sich die Frage, welche Prozesse digitalisiert werden sollen und in welchem Umfang. Welche Prioritäten werden gesetzt? Welche Prozesse sind von höchster Relevanz und sollten zuerst digitalisiert werden? Diese Fragen erfordern eine sorgfältige Planung und klare Definition seitens der Gemeinde.

Insgesamt gilt es zu erkennen, dass die Digitalisierung von Prozessen in Gemeinden nicht nur eine technische, sondern auch eine strategische Herausforderung darstellt. Eine klare Ausrichtung, sorgfältige Planung und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend, um die Chancen der Digitalisierung voll auszuschöpfen und gleichzeitig die Bedürfnisse aller Interessensgruppen zu berücksichtigen.
 

[ 4 ]Die Herausforderung – Reglemente und Prozess-Digitalisierung

Klare Prozesse bilden das Rückgrat effizienter Verwaltung. Doch oft wird übersehen, dass auch Reglemente eine entscheidende Rolle in diesem Zusammenhang spielen. Ein Beispiel hierfür findet sich in der Bauverwaltung: Wofür genau diese Abteilung zuständig ist, wird im Baureglement einer Gemeinde festgelegt. Dies betrifft nicht nur die Struktur von Gebühren, sondern auch zahlreiche andere ausschlaggebende Aspekte wie beispielsweise Fristen, Prozesse und Abläufe von Verfahren oder rechtliche Rahmenbedingungen.

Betrachtet man dies im Hinblick auf Datenabbildung, wird deutlich, wie wichtig es ist, diese Reglemente in einer geeigneten Softwarelösung abzubilden. In der Schweiz, mit ihrem föderalistischen System, wird die Zuständigkeit hierfür grundsätzlich auf Gemeindeebene delegiert. Dies führt aus IT-Sicht zu einer Herausforderung. Wenn beispielsweise zwei Gemeinden zusammenarbeiten möchten, indem die eine die Bauverwaltung für beide übernimmt, während die andere das Sozialamt für beide als Service anbietet, stossen die Gemeinden häufig rasch auf Schwierigkeiten. Die Reglemente unterscheiden sich oft selbst in benachbarten Gemeinden erheblich, was eine effektive Kooperation behindert.

Um eine reibungslose Zusammenarbeit zu ermöglichen, müssen Reglemente zuerst synchronisiert und angeglichen werden. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür bietet die Gemeindestrukturreform im Kanton Glarus, bei der die Reglemente-Angleichung von früher 25 Gemeinden auf neu drei Gemeinden vorgenommen wurde. Erst als eine gemeinsame Basis geschaffen war, konnten die Services auch in den neuen drei Einheitsgemeinden effizient angeboten werden.

Zurück zum Beispiel der Bauverwaltung: Diese prüft, kontrolliert und bewilligt sämtliche Änderungen ab einer gewissen Grösse in der entsprechenden Bauzone. Die Beschreibung von Gebäuden innerhalb einer Bauzone unterscheiden sich jedoch oftmals voneinander in unterschiedlichen Gemeinden oder zwischen Gemeinden und kantonalen Behörden. Diese unterschiedlichen Grundsatzbeschreibungen desselben Objekts stellen eine erhebliche Hürde für eine kooperative Zusammenarbeit dar. Ähnlich wie früher verschiedene Währungen den Handel erschwerten, verhindern unterschiedliche Objektbeschreibungen einen reibungslosen (Daten-)Austausch – beispielsweise in Bewilligungsverfahren mit einer kantonalen Behörde.

Die Lösung liegt in der Standardisierung der Datenhaltung. In der Schweiz ist der Verein eCH massgeblich daran beteiligt, diese Standards für das gesamte Verwaltungshandeln zu definieren. Sie gelten schweizweit und bieten eine klare Richtlinie für die Datenhaltung.

Es liegt in der Verantwortung der Gemeinden, sich an diesen eCH-Standards zu orientieren und nur wirklich notwendige Eigenheiten auf Gemeindeebene via Reglement zu definieren. Hierbei ist es wichtig, die spezifischen Bedürfnisse der Gemeinde zu berücksichtigen – beispielsweise kann ein Abwasserreglement in ländlichen Gegenden (pro Grossvieheinheit) anders ausgestaltet sein als in städtischen Gebieten.

Zusammenfassend sind es die Reglemente, Standards und kantonalen Eigenheiten, die die Datenhaltung beeinflussen. Sobald Reglemente auf (über-)regionaler Ebene synchronisiert sind, ist ein wesentlicher Grundstein für die Digitalisierung gelegt. Bei angeglichenen Reglementen wird es für die Verwaltungs-Mitarbeitenden einfach, Services gemeindeübergreifend anzubieten und auszuführen oder die Kommunikation und den Datenaustausch mit kantonalen oder gar nationalen Behörden zu vereinfachen.
 

[ 5 ]Die Sicherheit – Datenschutz und -sicherheit

Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitsweise grundlegend. Doch bei aller Begeisterung für die Vorteile, die sie mit sich bringt, darf nicht vergessen gehen, dass sie auch neue Herausforderungen in Bezug auf Datenschutz und Datensicherheit mit sich bringt. Insbesondere in öffentlichen Einrichtungen wie Gemeinden ist es von entscheidender Bedeutung, diese Aspekte im Blick zu behalten.

Digitalisierung umfasst nicht nur strukturierte Daten und Prozesse, sondern auch informelle Kommunikation, beispielsweise zwischen der Bauverwaltung und einem Architekten im Rahmen der Erstellung eines Baugesuchs. Als Gemeinde ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Zusammenarbeit an einem solchen Dokument einfach und sicher verläuft.

Grosse Cloud-Anbieter bieten schnell und einfach zugängliche Kollaborations-Lösungen, die wenig technische Infrastruktur voraussetzen. Diese Lösungen mögen zwar die Kollaboration erleichtern, doch die Anbieter setzen nicht zwangsläufig die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten voraus und tragen auch nicht die Verantwortung dafür. Sie sind zudem mit einem Problem behaftet: Die marktbeherrschenden, amerikanischen Unternehmen unterstehen dem US-Cloud Act. Das bedeutet, dass der US-Staat Zugriff auf Nutzerdaten dieser Dienste einfordern kann –  unabhängig davon, ob die Daten inner- oder ausserhalb der USA gespeichert werden. Konkret heisst das: die Herausgabe der Daten von Maria Müller oder Paul Muster können erzwungen werden. Damit sind Datenschutz und -sicherheit nicht mehr vollständig gewährleistet.

Gerade im öffentlichen Sektor, wo zahlreiche sensible Personendaten behandelt werden, ist es unerlässlich, sorgfältig zu überlegen, welche Daten sicher aufbewahrt werden müssen. Diese Verantwortung kann und darf nicht an Mitarbeitende abgeschoben werden. Die Verantwortung für Datenschutz liegt immer bei der Führung der Gemeindeverwaltung.

Die Lösung einer sicheren Datenhaltung liegt darin, sämtliche Daten bei einem Schweizer Anbieter zu speichern, der nicht dem US-Cloud Act unterstellt ist, sondern ausschliesslich der Schweizer Rechtsprechung.


IT-Governance

Weiter ist in der IT-Governance einer Gemeinde klar zu regeln, wo welche Daten gespeichert sind, was mit ihnen geschieht und wer darauf Zugriff hat. Die IT-Governance sollte keine blosse Papiertiger-Übung sein: Gemäss dem Schweizer Datenschutzgesetz (DSG) ist es eine klare Verpflichtung, diese Grundlagen-Papiere zu haben, zu verstehen und nachweisen zu können, bei letzterem zum Beispiel bei einem externen Audit.

Die Tragweite potenzieller Risiken muss verstanden werden und die Hausaufgaben in Bezug auf IT-Governance müssen gemacht werden. Externe Dienstleister können helfen, diese Grundlagen zu schaffen, damit die Verantwortlichen verstehen, welche Pflichten die Gemeinde hat und was bei einem Datenschutz-Audit gefordert wird. Ebenso kann ein IT-Outsourcing-Partner Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung eines Datenschutzreviews bieten. Voraussetzung ist jedoch, dass alle Parteien die IT-Governance verstehen und die Abläufe fest in der Organisation verankert sind.

Der oder die IT-Verantwortliche spielt dabei eine Schlüsselrolle und sollte die IT führen und nicht nur internen IT-Support leisten. Externe Tools können dabei helfen, die IT effizient zu leiten und Führungskräfte zu befähigen, ihre Aufgaben im Bereich Datenschutz und Datensicherheit erfolgreich zu erfüllen. In der heutigen digitalen Welt ist der IT-Verantwortliche ein Brückenkopf, also jemand, der eine Brücke zwischen einem IT-Anbieter (extern) und der Organisation bildet. Idealerweise handelt es sich dabei um jemanden mit genügend Befugnissen, um die IT effektiv zu leiten (Entscheidungskompetenz).

Zusammengefasst: Die Ziele der Digitalisierung in öffentlichen Verwaltungen sind vielfältig und berücksichtigen die unterschiedlichsten Bedürfnisse und Fähigkeiten aller Beteiligten. Eine erfolgreiche Digitalisierung sollte daher stets auf eine ganzheitliche Verbesserung der Prozesse und Interaktionen abzielen.

 

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